Key to Illusion
Improvisation

Improvisation

Ein Schleier weht durch laue Zeit, aus Worten weich, aus Lügen breit. Man spricht von Ruh, von heil’ger Pflicht — doch in den Augen brennt das Licht. Der Tisch ist rund, die Hände leer, der Ton versöhnlich, doch nichts mehr. Ein Lächeln kalt wie Winterstein, das Messer liegt im Schattenschein. Sie reden still von einem Pakt, doch einer hat ihn längst geknackt. Was Frieden heißt in seinem Sinn, ist Sieg, Verlorene sind drin. Die Fahnen weiß, die Herzen grau, ein Händedruck – wie Tau auf Tau. Man reicht sich, was nicht ehrlich meint, die Hoffnung blüht, der Hass vereint. So flüstert man von Morgenrot, doch säht im Dunkel weiter Tod. Denn einer spielt das Friedensspiel, nur täuschend – ohne Ehr’ und Ziel. Vertraue nicht dem leisen Ton, wenn Eisen wächst aus Illusion. Denn wo der Wille Kriege nährt, ist Frieden nichts – nur schön verfärbt.

Eine Geschichte von Erinnerung, Musik und Magie
In einem alten Haus mit knarrenden Dielen und vergilbten Tapeten lebte die junge Lisa. Es war ein stilles Haus, seit ihr Vater gegangen war – still, bis auf den Raum mit dem großen Fenster und dem lichtdurchfluteten Parkett. Dort hatte sie immer getanzt. Ihr Vater war Cellist gewesen, und seine Musik war das Herz ihres Tanzes. Während er spielte, bewegte sie sich durch den Raum, leicht wie Staub im Sonnenstrahl. Manchmal nahm sie einen alten Cellobogen in die Hand – nicht, um zu spielen, sondern um ihn wie ein Taktstock oder ein Schwert aus Licht durch die Luft zu führen. Der Bogen gab ihrem Tanz etwas Feierliches, etwas Scharfes, als würde sie Linien in die Zeit zeichnen. Doch dann, an einem grauen Wintertag, war der Vater nicht mehr da. Sein Stuhl blieb leer, das Cello verschwand im Kasten, und der Raum wurde stiller denn je. Lisa tanzte nicht mehr. Sie trat kaum noch in den Raum. Die Sonne fiel weiterhin durchs Fenster, aber sie lag nur noch auf Staub. Jahre vergingen. Lisa wurde älter, das Haus schien in ihrer Trauer mitzualtern. Doch an einem Frühlingsmorgen – die Fenster standen offen, und der Duft von blühendem Flieder füllte die Luft – betrat Lisa den Raum wieder. Die Erinnerungen lagen dort auf dem Boden wie alte Schatten. Ihr Blick fiel auf den Cellokasten in der Ecke. Zögernd trat sie näher, öffnete ihn langsam – und da war es: das Cello ihres Vaters. Die Saiten waren noch gespannt, der Holzkörper glänzte matt wie Bernstein in der Sonne. Sie holte es heraus, legte es sanft auf den Boden, wie man ein schlafendes Wesen nicht wecken will. Dann nahm sie den Bogen, den sie so oft in der Hand gehalten hatte, und trat zurück. Und sie begann zu tanzen. Zuerst zaghaft. Dann mit wachsender Kraft. Ihre Füße schwebten, ihre Arme flogen. Der Bogen in ihrer Hand schnitt durch die Luft wie ein Pinsel über Leinwand. Sie malte Töne, wo keine waren. Doch plötzlich hielt sie inne. Da war Musik. Nicht aus einem Lautsprecher, nicht aus einem Radio. Sie kam aus dem Raum. Vom Boden. Vom Cello. Und da sah sie es: Eine Hand, die am Griffbrett griff – Eine starke, vertraute Hand. Die Hand ihres Vaters. Sie nahm wieder den Cello book in der Hand und Striche über die Saiten und Fingern zu tanzen. Aber er selbst war Vater nicht da. Kein Gesicht, kein Körper. Nur die Hand, wie ein Echo aus einer anderen Zeit, spielte, was sie tanzte – oder tanzte sie, was er spielte? Sie lächelte, Tränen auf ihren Wangen. Nicht aus Trauer, sondern aus tiefer, leiser Freude. Aus der Gewissheit, dass manche Verbindungen nicht sterben. Dass Musik mehr ist als Klang, und Tanz mehr als Bewegung. Dass Erinnerung lebt, wenn man ihr Raum gibt. Von diesem Tag an tanzte Lisa wieder – nicht für die Welt, sondern für ihn. Und in diesem Raum, zwischen Licht und Staub, zwischen Cello und Bewegung, tanzte sie den Tanz der Elegie.

Für meinen Vater
Deine Finger strichen über Saiten, wie der Wind über einen stillen See. Tief und warm klang dein Cello und mein kleiner Körper verstand: Das ist Heimat. Ich tanzte – barfuß, gedreht ins Licht, in deinem Ton lag mein Vertrauen. Du spieltest nicht nur Musik. Du spieltest für mich – und ich wurde ganz. Jetzt ist der Raum still. Der Bogen liegt. Der Stuhl bleibt leer. Und ich, ich tanze immer noch. Aber es ist anders. Jeder Schritt ist eine Suche, jeder Dreh ein Rufen: „Siehst du mich noch, Papa? Hörst du, wie ich leise weiterlebe in deinem Klang?“ Manchmal schließe ich die Augen – und höre dich. Ein tiefer Ton steigt in mir auf, und ich bewege mich nicht, weil du längst in mir spielst. Deine Tochter Lisa